OSTPUNKS - Ein Blogbeitrag von Alex



Punks (am Ende) in der DDR 

Bettel-Punks, Sud-Punks, Edel-Punks und was sonst noch? All das gab es bei uns nicht. Wir hatten ja nix. Nicht ´mal Bettel-Punks. Bei uns hatte jeder das Recht und die Pflicht auf Arbeit. Wer nicht arbeiten wollte, wurde eingesperrt, ganz schnell. Auf der Straße rumlungern, vielleicht noch mit mehreren gemeinsam, das war Zusammenrottung und strengstens verboten. Ein Punker, der was auf sich hielt (und das waren hier alle, denn sie bewiesen Mut), der hat nicht gebettelt, der konnte sich sein subventioniertes Bier leisten. Und wenn gerade ´mal nicht, dann hielten alle zusammen und irgendwer hatte immer etwas Geld oder Bier oder ´was zu Essen oder ´ne Penne. Ich brauchte gar kein Geld, denn ich war noch Schülerin und wurde „durchgefüttert“. Nachmittags trafen wir uns am Luther-Denkmal und tranken Bier, hörten verbotenen Punk Rock aus dem Kassettenrekorder. Das war schon die größtmögliche Provokation für den schichtarbeitenden DDR-Bürger. Oft wurde die „Versammlung“ von der Trachtentruppe gestört, die ein aufmerksamer ABV (Abschnittsbevollmächtigter) gerufen hatte. Denn schließlich saßen wir an einem der schönsten Plätze in der Eisenacher Innenstadt. Es waren doch auch sehr schöne Zeiten: das Geld hat gereicht, alle hatten Arbeit (und das, ob sie wollten oder nicht) und der Zusammenhalt war groß. Aber nun kam die Wende und wir fuhren ins nahe Hessen und wollten endlich mal echte Punks und ein echtes Punkrock-Konzert erleben. Ja, wir fühlten uns immer wie Punks 2. Klasse mit unseren nachgemachten und selbstgemachten, selbst bemalten Klamotten. Haarfarben? Fehlanzeige. Meine Haare hab ich mit Rosanilinchlorat aus der Apotheke lila gefärbt, mit einem Fußpilzmittel. Das funktionierte aber ganz gut. Frühjahr 1990 in Fulda: HASS und Normahl sollen spielen. Wir sind schon ganz aufgeregt. Vor dem Juze angekommen, trauen wir unseren Augen kaum. Eine ganze Menge Sud-Punks am Betteln: „Haste mal ´ne Mark?“ Wir hatten so gut wie gar kein „Westgeld“, denn die Währungsunion lag noch vor uns. So konnten wir zwar eine Eintrittskarte erwerben, mussten dann aber schnell unser mitgebrachtes Bier trinken und nüchterten beim Konzert wieder aus. Irgendwie voll doof. Die bettelnden Sud-Punks auch. Bei denen gab es keinen sichtbaren Zusammenhalt, jeder hat für sich allein um eine Mark oder einen Schluck Bier gekämpft. Jedenfalls hatten wir uns die West-Punks anders vorgestellt. Aber auch das war nur eine Vorahnung von dem, was uns sonst noch aus dem Westen erwartete. Wir wurden arbeitslos - so etwas kannten wir noch nicht. Wir konnten unsere Darlehen für Autos, Westklamotten und Gott-weiß-was nicht mehr bezahlen. Wir – ich meine damit eine ganze Nation. Es lag natürlich nahe, dass zunächst die sogenannten arbeitsscheuen Elemente in die „Kurzarbeit-Null“ geschickt und abgewickelt wurden, später ganze Brigaden und dann fast alle Volkseigenen Betriebe, schließlich schien ein ganzes Land arbeitslos. Und das Allerschlimmste war: Viele Punks fingen an zu Betteln und sich wie die West-Punks zu benehmen. Die Ideale wurden verraten und verkauft. Wo sind sie denn nur alle geblieben, diese stolzen Ost-Punks? Wo sind sie jetzt? 
(Blogeintrag von Alex Schlagowski) ...

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